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Das Podenhaus
und seine Geschichte

von Michael Seifert

Wenn wir die Ortsmitte verlassen und über den heutigen Meranplatz in die etwas ansteigende Kirchengasse gehen, wird gleich nach der leichten Linksbiegung, etwa in Höhe der „Blauen Traube" („Ermann-Tollinger"-Besitz, .s ges. Kapitel), ein erhabener, fast trutzig wirkender Bau sichtbar. Trutzig vielleicht wegen der ihn heute noch umgebenden Mauer mit dem großen Portal. Es ist das Poden- oder früher auch Tauer-Haus genannte Gebäude (Nr. 28), das aus dem 14. Jahrhundert stammt und dementsprechend, ebenso wie all die anderen historisch interessanten Bauwerke, eine recht wechselvolle Geschichte hat. Der Name „Poden" taucht in der Geschichte des Marktes häufig auf, auch im Zusammenhang mit anderen bedeutenden Gebäuden. Und so wie manche Bauwerke Höhen und Tiefen erlebt haben, so erging es den Generationen der „Poden" ähnlich.
Der Ursprung des Hauses, möglicherweise in einer damals noch nicht so großartigen Form, stammt wahrscheinlich bereits aus der Zeit um 1319, der Zeit der Hallinger. Der Siegler Achaz Praun, auch „Edler" genannt, Marktrichter vermutlich um 1432/33, bekommt 1431 das Haus am Gasteig mit Obstgarten (heutiger Pfarrgarten) zugesprochen. 1433, also fast zur gleichen Zeit, wird auch ein Jörg Galsberger als Marktrichter erwähnt.
Achaz Praun beansprucht in einem Besitzstreit, dessen Ursprung nicht bekannt ist, zwei Häuser: Eines von Ullreich und Elspet Pehaim, ein anderes „mit Obstgarten am Gasteig" (Nr. 28), „davon Katrey die Dyvessin jährlich 60 Pfennig dient* (verm. Pacht für den Garten?). Eine Urkunde von 1431 besagt:
„Ich, Heinrich Czechner, dieszeit Marktrichter zu Aussee, der ich gesessen bin in offener Schranne mit einem Geding von 17 ehrbaren Männern (Anm.: Namen bekannt) - bekenne mit diesem Brief, das Haus mit dem Obstgarten wird Achaz Praun zugesprochen, das Verfahren gegen Pehaim muss vertagt werden."
Sicher ist aber, dass Achaz Praun 1435 auch ein Hallamt innehatte, welches er später seinem Sohn Wolfgang „verleihen* durfte. mI Jahr 1462 verkauft Wolfgang das Haus Nr. 28 um 550 Pfund Pfennige an Kaiser Albrecht VI. In der weiteren Folge geht der Besitz an die Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. über.
Es ist ziemlich sicher, dass der Bau aus dem 14. Jahrhundert stammt, obwohl eine direkte Erwähnung erst aus dem Jahr 1501 erhalten ist. Bei der Renovierung 1994 wurde vor allem im Keller deutlich sichtbar, dass das Gebäude zumindest einmal eine Erweiterung erfahren hat. Die unterschiedlichen Stein- bzw. Ziegelmaterialien sowie die Verarbeitung lassen darauf schließen. Einen sicheren Hinweis darauf liefert ein Ziegelstein mit der Jahreszahl 1658, der bei der Renovierung in einem offensichtlichen Zubau gefunden wurde.
Die schon erwähnte Aufzeichnung von 1501 besagt, dass der „Gesellpriester* (Kaplan) Hieronymus Strauß das Haus Nr. 28 an den Ausseer Bürger Andre Scherer (Scheurer) verkauft hat. Früher gab es Marktsteuerbücher. In dem ältesten in Aussee vorhandenen, dem von 1556, taucht erst wieder die Hausbezeichnung als Eigentum des Bäckers Wolf Hueber auf. Jährlich, bis 1599, hatte dieser nämlich einen Gulden Steuer zu entrichten. Der Sohn Wolf Huebers, Matthäus, gleichfalls Gastgeber und Bäcker, wird 1614 Eigentümer. Wir finden Matthäus, der übrigens sogar fünfmal Marktrichter war, aber auch im Zusammenhang mit einem anderen bedeutenden Gebäude, dem „Ermann-Tollinger-Besitz", den er 1626 erwirbt. Sechs Jahre nach diesem Kauf findet Matthäus einen Interessenten für das „Obere Haus" (Nr. 28). Es ist Hans Mayr, der aber um 1642 stirbt. Die Witwe Katharina, eine Tochter des Marktschreibers Stadler, heiratet drei Jahre später den Bäcker Sebald Pruner. Er führt das bestehende Geschäft selbst weiter, bis sein Stiefsohn Sebastian Mayr im Jahr 1660 volljährig wird. Es ist der Goiserer Handelsmann Leopold Gatterer, der im Jahr 1671 das Kaufmannshaus erwirbt. Der erfolgreiche Gatterer ist 1685/86 sowie 1695/96 Marktrichter und wird schon 1678, erst sieben Jahre nach seinem Zuzug, als angesehener „Handelsherr" bezeichnet. Interessant ist eine kleine Episode am Rande: Dörrzwetschken sind zu jener Zeit wegen ihres hohen Zuckergehaltes beliebte Handelsware (mautpflichtig über den Pötschen), da es noch keinen Zucker gibt und Honig teuer ist. Für diesen speziellen Handel ist aber eine Bewilligung nötig, die nicht jeder Krämer bekommt - 1671 allerdings auch nicht einmal der große Handelsmann Leopold Gatterer.
Er wird auch Eigentümer des Hauses Nr. 152 („Kurzische Behausung", auch „Feldhammer-Behausung", später Hotel „Kaiser von Österreich* in der Hauptstraße), doch aus welchem Grund auch immer, „vertauscht* er diesen Besitz 1696 mit dem Haus Nr. 163 des Andre Gaiswinkler (früher „Brauerei am Gambsen", heute „Hotel Post* in der Kirchengasse) und so wird Leopold kurz vor seinem Tod (1698) auch noch „Brauherr".
Um in diesem Zusammenhang noch kurz bei der bedeutenden Brauerei zu bleiben: Andre Gaiswinklers Witwe Kordula vermacht sie 1719 ihrem Enkel, dem Hallstätter Franz Kraimbser, sein Schwiegersohn Anton Spalt (Sohn des Weißgerbers Spalt von Haus Nr. 153 - frh. „Weißgerber-Haus mi Winkel«) übernimmt den Besitz 1741 und dessen Enkel, Anton Spalt d.J., kommt 1810 auf den Besitz, nach diesem dann, im Jahr 1829, dessen Schwiegersohn.
Anton Pollhammer, jener Pollhammer, der nach Josef Plochl 1838 auch k.k. Postmeister wird.
Leopold Gatterer‘s Witwe Maria, eine geb. Vischer aus Wimsbach (OÖ), muss ungewöhnlicher Weise wieder sehr schnell geheiratet haben, nämlich noch im Todesjahr des Mannes 1698 den Herrschaftsverwalter von Trautenfels, Wolf Rechinger. Sie beide verkaufen eben 1698 das Haus an einen Goiserer Vetter, Abraham Gatterer (*1677, + 1746).
Und auch bei ihm scheint die Liebe etwas seltsame Wege zu gehen, denn wie bekannt ist, gelingt es ihm zwar das adelige Fräulein Mariavon Zurtschentall (Hs.Nr. 125 am Krautberg) zu betören, aber im Jahre 1704 heiratet er Katharina Vogl aus Ischl. Auch Abraham Gatterer besitzt in Aussee großes Ansehen und wird sogar sechsmal Marktrichter. Seine Besitznachfolge tritt 1746 der Sohn Franz an (* 1716, +1788). Franz heiratet seine „Muhme* (wahrscheinlich Base) Rosina Gatterer von der Stögermühle. Mit seinem Schwager, dem Badersohn Gottfried Hammerl *( 1707, + 1765), macht er 1747 eine Art Tauschgeschäft. Er wechselt seinen zweiten Hausbesitz Nr. 151 (die „Steindlische Behausung", später „Kaiserschwemme") im angenommenen Wert von 5500 Gulden mit dem des Gottfried, dem das „Fronbad* (Hs.Nr. 145) gehört. Allerdings ist dafür ein Aufpreis von 2700 Gulden fällig. So wird Hammerl „Handelsherr" und Gastgeber in den Jahren 1750 bis 1754, sowie 1763 auch Markt- und Bannrichter. Mit Konstanze, der Schwester von Franz Gatterer, hat Hammer sieben Kinder und in späterer zweiter Ehe mit der Lebzeltertochter Theresia Schörkmayr neun, insgesamt also elf Söhne und fünf Töchter. Die Witwe von Gottfried führt das Geschäft noch fast 30 Jahre (bis 1794) fort, was genau in die wirren Zeiten der Franzosenkriege fällt, weswegen der Besitz versteigert werden muss.
Dadurch kommt ein Vetter des Eisenniederlegers Ignaz Poden (siehe ges. Kapitel Hs. Nr. 3 - „Eisenniederlage"), Jakob Poden (* 1736, + 1808) aus Pruggern bei Gröbming in den Besitz von Haus Nr. 28. Jakob, Marktrichter von 1800 bis 1806, ist verheiratet mit Gertrude Leitgeb, einer Wirtstochter aus Stein a. d. Enns. Sie ist es, die nach dem Tod des Gatten das Erbe im Jahr 1810 an den Sohn Georg Poden (* 1788, +1873) übergibt. Georgs Frau ist die Brauer-Tochter Anna Neuper von Haus Nr. 43 (später „Goldener Hirsch*, Chlumeckyplatz). Sie beide erweisen sich auch als Gönner der Pfarrkirche und stiften 1874 neue Glocken, gestimmt auf F, a, c und f passend zu dem Es der alten „Kunigunde* von 1445.
Eine alte Proviantordnung bzw. Statistik weist Georg Poden neben den Kaufleuten Hackl und HölzIsauer auch als einen Hauptlieferanten im Markt aus. Demnach verbraucht Aussee von 1818 bis 1849 jährlich zwischen 5500 und 10000 Metzen Korn (österr. Metze damals 61,478 Liter) und 340 Zentner Schmalz.
Georgs Ansehen wächst im Laufe der Zeit derartig, dass er - was damals eine große Seltenheit ist zum Landwehr-Offizier ernannt wird. Als Georg Poden am 7. Juni 1873 mit 86 Jahren als ältester Ausseer stirbt, widmet man ihm einen beachtenswerten Nachruf:
„Das Geschäftshaus Poden ist in der ganzen Umgebung als eines der reichsten und reellsten bekannt. Ehe in unserer Gegend eine Sparkasse bestand, war Poden die Zuflucht aller Geldsuchenden. Herr Poden begehrte nie Wucherzinsen und das Edelste von ihm war, dass er durch so viele Jahre keinen seiner Schuldner unter den Hammer brachte."
Die Ära der Poden geht aber mit Georgs Sohn Ludwig (* 1815, +1890) zu Ende. Seine Frau, Elisabeth geb. Pfost, eine Arzttochter aus Ischl, schenkt ihm zwar einen Sohn, doch dieser wird nur eine Viertelstunde alt.
Das Schicksal, wie es das Haus schon einmal in der Zeit der Franzosenkriege erlebt hatte, wiederholt sich nun 1908, als die Witwe Ludwig’s den Besitz ebenfalls durch Versteigerung verliert. Sie stirbt im Jahr 1916. Bis noch vor einiger Zeit gab es alte Ausseer, die sich noch an die mittlerweile verarmte und einsame Dame erinnern konnten, wie sie vor dem Haus gern in der Sonne saß. Man erinnerte sich auch noch lange Zeit an sie als große Wohltäterin. Im Zusammenhang mit dem Handelshaus ist in die Erinnerung auch ihr langjähriger und treuer Geschäftsführer Nöbauer mit eingebunden. Schon vor1914 wird es offenbar nötig, schöne hölzerne Zimmerdecken und eingelegte Türen und anderes wertvolle Inventar an fremde Kunstliebhaber zu verkaufen, was offenbar durch einen Neffen geschieht.
Franz Hollwöger merkt sehr richtig am Schluss einer Ausführung von 1957 an: „Hueber, Mayr, Gatterer, Hammerl, Poden - eine Kette - trotz reichen Kindersegens- ausgestorbener Bürgerfamilien!**
Früher einmal, so sagt man, sei das Handelshaus so wohlhabend gewesen, dass sogar von einem eigenen Schiff „gefaselt* worden sei, dass die benötigten Waren über die Weltmeere bringen sollte. Eher wahrscheinlich ist, dass ein auf die eiserne Ladentür gemaltes Segelschiff zu diesem Gedanken verleitete. Aber was hatte es mit dem Schiff ausgerechnet auf einer Ausseer Geschäftstür auf sich? Wunschdenken?
Zu dem Handelshaus Nr. 28 gehört bis gegen 1900 auch ein gemauertes Lagerhaus mit drei schweren eisenbeschlagenen Doppeltüren - genau an der Stelle, an der heute das Landeskrankenhaus steht. Dort nämlich hatte der Mesner Hillbrand (* 1857, +1924) nach dem Abtragen des Lagerhauses ein großes Wohnhaus errichtet, welches bis 1954 als Krankenheim diente, das in der Folge im Neubau des LKH aufgegangen ist.
Das „Poden-Haus" geht schließlich in den Besitz der Familie Mayrhofer über, zehn Jahre lang, von 1920 bis 1930 wohnt hier auch die Familie des Major Rudolf von Dahmen. 1925 erwirbt die Handelsfamilie Rudolf und Maria Tauer (eine geb. Pennersdorfer) aus Stratzdorf (NÖ) die Liegenschaft. Rudolf Tauer stirbt im KZ Mauthausen.
Das Handelsgeschäft floriert und als tüchtiger Geschäftsführer über Jahrzehnte ist Franz Seiringer bei den Ausseern beliebt. Maria Tauer vererbt nach ihrem Tod am 25. Dezember 1962 Dreiviertel des Hauses ihrer Nichte Christine Paradeiser, verheiratet mit Josef Paradeiser aus Fels.
Ein Viertel verbleibt nach dem Tod von Rudolf Tauer bei dessen Schwester Anna, in der Folge geht dieses Viertel auf eine Wiener Familie über und schließlich an die Familie Seiberl. Leider sind im Laufe einer bestimmten Zeit auch etliche Kunstschätze aus dem Haus abhandengekommen.
Aufgrund einer Hofübergabe im Weinbaubetrieb in Fels (NÖ) im Jahr 1993 geht auch das „Poden-Haus" an den Sohn von Christine und Josef, an Gerhard Paradeiser (* 1962). Ihm gelingt es auch, dass letzte Viertel wieder in den Besitz der Familie zu bringen.
Auf den stilistischen Eindruck des „Poden-Hauses" geht Dr. Franz Nowotny in seinem Kunstführer durch das Ausseerland u.a. folgendermaßen ein:
Das an der Straßenseite befindliche alte Laden Tor mit einem Vordach aus Kupferblech und der anschließende, etwas vorkragende Gebäudeteil mit dem Eingangstor in die Kellerräume erinnern ebenso wie das an der Seitenfront umgebaute, einen Hof einschließende Wirtschaftsgebäude an die Handelstätigkeiten der früheren Besitzer. Vom Reichtum derselben künden die künstlerisch gestalteten Fassaden. Ihre geschwungenen Fensterbekrönungen im zweiten Stock mit Palmettendekor und das unter das hohe Walmdach reichende dritte Geschoß mit kleineren Fenstern geben dem Haus ein barockes Gepräge, wozu auch das vorgelagerte Wirtschaftsgebäude mit seinen malerischen Rundfenstern beiträgt. Die Eingangstür an der Straßenseite, zu welcher eine kleine Steintreppe hinaufführt, ist von einem oben offenen Halbkreisbogen bekrönt, dessen Innenflüche ein Kegelstumpf mit aufsitzender Kugel ziert. Zwischen den barock gestalteten Fenstern des Obergeschoßes prangt an der Straßenseite ein großes Freskogemälde der "Krönung Mariens im Himmel.«
Herausragendes leisten Gerhard Paradeiser und seine Frau Gabi 1994 als neue Eigentümer des Hauses, indem sie sich intensiv einer aufwendigen Renovierung annehmen. Wer bis dahin den immer mehr betrüblichen Zustand des riesigen Gebäudes beobachtet hatte, glaubte fast nicht mehr, dass es noch möglich sein sollte, es zu retten.
Wie schreibt Alfred Komarekua in seinem Buch „Ausseerland - Die Bühne hinter den Kulissen" so treffend:
„Noch in den fünfziger Jahren stand das alte Tor offen, und aus dem ehrwürdigen Dunkel drang der Geruch von Obst und Gewürzen. Der Reichtum ist im "Poden-Haus" nicht mehr daheim, die Würde ist geblieben, doch sie zerbricht langsam, zerbröckelt und verblasst. Vielleicht ist ein schöner Tod einer nützlich begradigten Zukunft vorzuziehen, vielleicht geschieht auch ein Wunder, und irgendein Prinz küsst die schlafende Schönheit wach, ohne ihr Gewalt anzutun."
Gerhard Paradeiser war dieser "Prinz", der dem „schlafenden Haus* wieder Ansehen verliehen und zumindest im unteren Bereich sogar neues, recht buntes Leben eingehaucht hat: Ein Heurigen-Lokal entstand, das, bedingt durch die alte Bausubstanz, was Stil und Gemütlichkeit anbelangt, weitherum Vergleichbares sucht. Von 1996 bis zum Beginn der Renovierung hieß das Lokal unter dem Pächter Rainer Haar „Anna-Wirt.
Das "Poden-Haus" besteht noch heute wie ein Fels in der Brandung historischer Sturmwellen und wird noch über Jahrzehnte, wenn nicht gar über Jahrhunderte, eines der markantesten Gebäude Aussee‘s bleiben.
 

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